FORSCHUNG-SSTUDIE

Perspektiven Bauzulieferindustrie 2023

Wie entwickelt sich die Bauzulieferindustrie 2023: Perspektiven zur Marktentwicklung, zum Führungsverhalten und zu inhaltlichen Schwerpunkten.

Russland überfällt am 24. Februar 2022 in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg die Ukraine. Die geopolitischen, wirtschaftlichen, militärischen und sozialen Konsequenzen sind für die gesamte (westliche) Welt verheerend. Die Bundesregierung läutet eine ‚Zeitenwende‘ ein. Die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands, unser ‚Geschäftsmodell‘ mit seiner hohen Abhängigkeit von günstiger Energie und unser fragiler Solidarfrieden stehen auf dem Spiel.

Die Coronakrise wird nach zwei Jahren zur Randfigur. Für Unternehmen rücken Fragen zum Umgang mit Materialknappheit, Energieversorgung und -erzeugung, die exponentielle Steigerung der Energie­kosten und die damit einhergehende Steigerung der Inflation auf über 10 % in den Vordergrund. Auf geopolitischer Ebene führt das Aneinanderrücken von Russland und China zu einer neuen Block­bil­dung und zu einem Systemwettbewerb zwischen dem chinesischen Staatskapitalismus und dem westl­ichen Modell der sozialen Marktwirtschaft – Konsequenz für Unternehmen und Bevölkerung noch offen.

Wir haben im November und Dezember 2022 wesentliche Gestalter in der Bauzulieferindustrie nach deren Perspektive für das Jahr 2023 befragt: Wie schauen sie auf das kommende Jahr? Welche Schwer­punkte setzen sie? Wie planen sie, auf Entwicklungen zu reagieren? Herausgekommen sind zum Jahresbeginn 2023 Perspektiven, Impulse und Anstöße zum inhaltlichen Diskurs.

Drei große Themenfelder standen im Fokus unserer ‚Perspektiven-Interviews‘ für die deutsche Bauzulieferindustrie. Erstens: Die Einschätzung, wie sich das Jahr 2023 für das eigene Marktsegment entwickeln wird und was die maßgeblichen Einflussfaktoren sein werden. Zweitens: Ob und wie die Befragten ihr Führungsverhalten und ihre organisatorischen Strukturen anpassen, um flexibel mit der zuneh­men­den Dynamik und Komplexität der Märkte umgehen zu können. Und drittens: Welche inhaltlichen Schwerpunkte sie im Jahr 2023 setzen werden.

Herausgekommen sind dieses Jahr 22 statt der wie sonst 15 Perspektiven von Entscheidern sowie eine ergänzende KEYLENS-Perspektive. Diese Multiperspektivität sehen wir als eigenständiges Charakteristikum der aktuellen Lage an. Sie soll dem Leser Gedankenimpulse geben und eine Anregung sein, die eigene Sicht auf den Markt zu reflektieren, ohne einen prognostischen Anspruch erheben zu wollen.

1) Marktentwicklung

  • Gedämpfte Volumenerwartung – Wohnungsneubau nicht mehr Wachstumsmotor
  • Staatliche Förderungen mit strukturellen Nebeneffekten
  • Globale Entkopplung der Supply Chain – Regionalisierung der Produktions- und Liefernetzwerke
  • Inflation ist gekommen, um zu bleiben
  • Risikobereitschaft der Marktteilnehmer nimmt ab und Normalität kehrt zurück
  • Systembrüche werden sich mehren
  • Konsolidierung durch Konzernalisierung
  • Modularer Bau und Fertighäuser auf dem Vormarsch

2) Neues Führungsverhalten:

  • Resilienz und Führung mit klarer Haltung
  • 360°-Kommunikation und Verantwortung für Mitarbeiter
  • Große Führungsaufgabe: Gewinnen und Halten von Mitarbeitern und Fachhandwerkern
  • Balance zwischen kurzfristiger Performance, nachhaltigen Potenzialen und langfristiger Strategie
  • Synchronisierung von Zielbildern mit individuellem Führungsverhalten
  • Kundennähe und Kundennutzen
  • Innovationen fördern und zulassen

3) Inhaltliche und taktische Schwerpunkte 2023:

  • Digitalisierung Kundenschnittstelle und Marktbearbeitung
  • Effizienzprogramme: Von der Kostensenkung bis hin zum Industrial Engineering
  • Neuer Zeitdieb: Energieeinkauf, -management und -gewinnung
  • IoT, Smart Home, BIM, Construction 4.0 ….?
  • Differenziertere Bearbeitung des Segments ‚privater Endkunde‘
  • Service als Geschäftsmodell wird weiter verfestigt
  • Nachhaltigkeit wird auf keiner Agenda 2023 fehlen

Der Transformationsprozess ist weiter voll im Gange. Nur die Rahmenbedingungen haben sich geändert. Nach dem Mega-Hype der letzten Jahre ist die deutsche Bauzulieferindustrie in ökonomischen Realitäten angekommen. Erste Konsolidierungen finden statt. Der Wohnungsneubau als langjährige Zugmaschine hat an Kraft verloren. Für die (energetische) Sanierung und Renovierung wird es sehr herausfordernd werden, diese Lücke zu schließen.

Wir haben in den ‚Perspektiven-Gesprächen‘ Vielfalt und eine sehr viel größere Differenziertheit wahrgenommen, wie auf diese neue Situation reagiert werden sollte. Kein Trend, viele Einzelmeinungen. Deswegen haben wir uns bewusst entschieden, die 22 statt der bisherigen 15 Perspektiven abzubilden und diese nicht weiter zu verdichten. Diese Multiperspektivität sehen wir als eigenständiges Charakteristikum der aktuellen Lage an.

Bemerkenswert ist: Mit den Erfahrungen aus der digitalen Transformation sind die Organisationen beweglicher geworden. Testen, Lernen und Coachen als Führungsprinzipien haben dazu beigetragen, 2022 mit den Belastungen gut umzugehen. Der einzelne Mensch mit seinen Bedürfnissen rückt stärker in den Vordergrund des Führungsverhaltens. Das Einnehmen einer klaren Haltung über die sonstigen Maße hinaus, das Übernehmen von Verantwortung für die Belegschaft oder das Fördern von Innovation und Führungsverhalten sind aus unserer Sicht in den nächsten Jahren die logische Fortsetzung.

Die inhaltlichen Aufgaben differenzieren sich weiter aus: Digitalisierung der Kundenschnittstelle und eine interne Wertschöpfungskette erreichen neue Reifegrade und Anforderungen. Das Servicegeschäftsmodell hat sein Experimentierstadium hinter sich gelassen und wird bleiben. Transformations- und Wachstumsinitiativen werden nicht wegen zu erwartender Absatzrückgänge begraben, sondern mit Effizienzprogrammen verwoben. Die Regionalisierung von Produktions- und Liefernetzwerken scheint nicht mehr umkehrbar. Und das Thema Nachhaltigkeit ist ein zentraler Punkt auf der Agenda 2023.

Die Bauzulieferindustrie wird 2023 einen weiteren großen Sprung machen, davon sind wir überzeugt. Wir erleben unternehmerischen Mut, wir sehen Initiativen. Wir erwarten echte Systembrüche. Die Multiperspektivität ist eine Chance und zugleich der Weg. Die Welt schaut aus den verschiedenen Gewerken unterschiedlich aus. Einander zuhören, Ideen mitnehmen, sie evaluieren und daraus seinen eigenen Weg ableiten. Wir glauben weiterhin an Kollaborationen – sei es, um sich gegenseitig zu inspirieren oder voneinander zu lernen, um geschäftlich gemeinsam einen höheren Wirkungsgrad zu erreichen oder um einen höheren Kundennutzen zu stiften. Und schlussendlich wertschätzen wir, wenn Unternehmer und mittelständische Unternehmen mit gutem Beispiel vorangehen, eine klare Haltung haben und Verantwortung übernehmen – für unsere Gesellschaft, für Europa und für den Planeten.

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