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Neue Perspektiven der Bauzulieferindustrie 2025: Was bleibt, was kommt?
Mit den „Perspektiven Bauzulieferindustrie“ benennen wir jährlich die zentralen Themen der Branche. Zum Jahresbeginn 2025 waren dies unter anderem Wohnungsneubau, Bauen im Bestand, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Serviceorientierung sowie politische Rahmenbedingungen und Fachkräftemangel.
Neun Monate später, im Herbst 2025, blicken wir nun zurück, um zu sehen, was sich bestätigt hat, wo Abweichungen bestehen und welche Implikationen daraus für strategische Führung folgen. Wir berücksichtigen dabei auch die Initiativen und Programme der neuen Regierung (z.B. Wohnungsneubau-Turbo, neue Förderungsprogramme, Investitionsprogramme).
Das Ergebnis ist eindeutig: Die zum Teil disruptiven Veränderungen in Marktstrukturen, in Technologie, bei Kunden und Fachkräften sowie in der Regulatorik erfordern eine kraftvolle Antwort von Unternehmen.
Für CEOs und Vorstandsteams heißt das: Nicht Festhalten an Wunschvorstellungen, sondern konsequente Anpassung. Strategische Investitionen in Bestands- und Servicegeschäft, digitale Reife, regulatorisches Management und Innovationsfähigkeit sind keine Nice-to-haves, sondern überlebenswichtig. Wer diese Dimensionen früh und ganzheitlich angeht, wird aus der Phase der Trendwende gestärkt hervorgehen – wer wartet, verliert an Boden.
Was hat sich seit Jahresbeginn verändert – und wo braucht es Anpassungen für die Agenda 2026? Hier einige Auszüge unserer Analysen:
Wohnungsneubau: Weiterhin Talfahrt, wenngleich erste Lichtblicke bei Genehmigungen
Der Wohnungsneubau in Deutschland bleibt auch im Jahr 2025 deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die Bautätigkeit erreicht ein neues Tief, und es droht ein massiver Rückgang bei der Zahl neu entstehender Wohnungen – im ungünstigsten Fall könnten es nur rund 175.000 sein. Das liegt weit unter dem tatsächlichen Bedarf und verschärft die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt.
Ein vager Hoffnungsschimmer mag ein leichtes Plus bei Baugenehmigungen (z. B. im Juli 2025 gegenüber Vorjahr) sein. Ob und welchen Effekt dies auf die Fertigstellungen haben wird, wird sich in den Folgejahren zeigen. Aufwendige Planungs- und Genehmigungsverfahren bleiben weiterhin ein zentraler Engpass.
Infolgedessen rücken Themen wie Bauen im Bestand sowie Wartung, Nachrüstung und Service weiter in den Fokus von Herstellern. Für viele sind diese Segmente mittlerweile wesentliche Hebel, die Nachfrage kurzfristig zu stabilisieren. Unsere unterjährigen Gespräche, u.a. im diesjährigen Kompetenzprojekt ‘Bauen im Bestand’ unterstreichen diese Erkenntnis.
Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Zwischen langsamer Adoption und Regulatorik
Die Bauindustrie in Deutschland steckt in einem „Digital- und ESG-Dilemma“: Wachsende Anforderungen an Nachhaltigkeit und ESG-Berichterstattung, verbunden mit hohen bürokratischen Anforderungen treffen auf begrenzte digitale Reife in vielen Unternehmen.
Während regulatorische Anforderungen und Transformationserwartungen (z. B. klimaneutraler Gebäudebestand bis 2045) wachsen, haben viele Firmen weiterhin Schwierigkeiten, die Mehrkosten in Produkten oder Projekten am Markt durchzusetzen. Förderpolitische Lücken und Unsicherheit über langfristige Kosten (z. B. Strompreise, Materialkosten) hemmen Investitionen.
Ergänzend dazu verfestigt sich die Erkenntnis, dass die Bauindustrie in Deutschland einen Wettbewerbsnachteil bei der Digitalisierung und im Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) hat. Viele Unternehmen haben die Bedeutung digitaler Tools erkannt – doch tiefe Prozessintegration (z. B. durchgängige digitale Supply Chains, KI-basierte Produktion, ERP-Systeme) sind bislang selten. Die Prognosen zum Jahreswechsel 2025 haben die Geschwindigkeit, mit der die Digitalisierung und die Anwendung von KI wirksam werden, überschätzt. Deutschland hinkt im europäischen Vergleich hinterher.
Fachkräftemangel und Servicegeschäft: Verstärkter Druck, strategische Antworten
Die meisten Studien bestätigen, dass der Fachkräftemangel nicht nur an Intensität gewonnen hat, sondern branchenweit zu einem limitierenden Faktor geworden ist. Bauunternehmen beginnen bereits ihre Personalkapazitäten zu reduzieren oder Umstrukturierungen vorzunehmen, weil Projekte nicht mit verfügbaren Fachkräften umgesetzt werden können. Prefabrication und serielle Modularität gewinnen weiter an Bedeutung.
Implikationen für strategische Führung
In diesem Kontext sehen wir drei Handlungsfelder:
1. Schärfung Portfoliostrategie mit starkem Fokus auf Bauen im Bestand und Servicegeschäftsmodelle
Kritische Überprüfung der Produkt- und Geschäftsfelder: Neubau wird in den kommenden Jahren kaum Entlastung bieten. Deshalb sollten Hersteller verstärkt in das ‘Bauen im Bestand’ investieren – energetische Sanierungen, Modernisierung, Revitalisierung etc. Gleichzeitig gilt es, das Servicegeschäft auszubauen, um an wiederkehrenden Umsätzen aus Service, Wartung oder Upgrades zu partizipieren.
2. Digitalisierung und künstliche Intelligenz sowie Regulatorik als Wettbewerbsfaktor
Man kann es nicht häufig genug wiederholen: Konsequente Digitalisierung, datengetriebene Geschäftsmodelle und Prozesse sowie Anwendung künstlicher Intelligenz müssen Kernkompetenz der Hersteller werden. Schon heute unterscheiden sich Hersteller durch ihre Geschwindigkeit und Tiefe beim Einsatz von zum Beispiel ERP-Systemen, digitaler Auftragsvergabe und Prozessautomatisierung. Ein weiterer Wettbewerbsfaktor wird die Fähigkeit, regulatorische Anforderungen strategisch zu managen und Fördermittel für sich selbst und Kunden zu nutzen.
3. Finanzielle Robustheit und Innovation als Absicherung gegen Unsicherheit
In einer Zeit steigender Kosten und unsicherer Nachfrage gilt: Finanzielle Reserven, effiziente Kostenstrukturen und Innovationsfähigkeit sind entscheidend. Innovationsfelder wie kreislauffähige Materialien, modulare Bauweisen, digitale Planung und Fertigung bieten Potenzial und müssen mit Fokus aber auch mit Realitätssinn angegangen werden. Mögliche Skalierbarkeit von Lösungen und die Flexibilität der eigenen Organisation sind dabei nur zwei Aspekte, die es zu bedenken gilt.
Die Entwicklungen in der Bauzulieferindustrie bis Herbst 2025 zeigen, dass viele der früheren Einschätzungen korrekt waren – etwa die Krise im Neubau, die Bedeutung von Bestand und Service oder die Herausforderung durch ESG und Fachkräfte. Gleichzeitig zeichnen sich Abweichungen ab: Eine mögliche Erholung bei Baugenehmigungen, die langsamer voranschreitende Digitalisierung in operativen Prozessen und die Diskrepanz zwischen Anspruch und Umsetzbarkeit bei Nachhaltigkeit.
Wir sind überzeugt, dass es konsequenter und kraftvoller Anpassungen der bestehenden Geschäftsmodelle bedarf: Strategische Investitionen in Bestands- und Servicegeschäft, digitale Reife und Innovationsfähigkeit sind drei Bereiche, die exemplarisch genannt sein sollen. Konsequentes und ganzheitliches Agieren und Verändern sind notwendig, um gestärkt und wettbewerbsfähig an der Trendwende zu partizipieren.
Abschließende Überlegungen
Die Botschaft ist eindeutig: Veränderung ist unerlässlich und frühzeitiges Handeln entscheidend. Wenn Sie Ihren nächsten strategischen Schritt planen, unterstützen wir Sie gerne. Kontaktieren Sie uns, um zu besprechen, wie Ihr Unternehmen mit Klarheit und Zuversicht reagieren kann.
