Churchill soll gesagt haben „Never let a good crisis go to waste“ – lass nie eine gute Krise ungenutzt. Diesen Ansatz können wir uns auch heute noch zu Herzen nehmen. Während Unternehmen immer noch damit kämpfen, die richtigen Lehren aus der Pandemie zu ziehen, sehen sie sich jetzt auch noch mit Inflation, Zinserhöhungen und einem anhaltenden Krieg konfrontiert, der die Wirtschaft in eine Rezession treibt. Als ob das nicht genug wäre, gibt es weiterhin Probleme in den Lieferketten und das Vertrauen auf Verbraucherseite schwindet.
Wie zu erwarten war, sind viele Unternehmen besorgt, kürzen Budgets, stellen keine neuen Angestellten mehr ein, Entlassungen drohen. All dies zeigt sich auch in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden. Regierungen mischen sich in die Marketingausgaben von Unternehmen ein. Führungskräfte im Bereich Nachhaltigkeit fragen sich, wie sie die Verpflichtungen, die sie in den letzten Jahren eingegangen sind, bezahlen sollen.
All diese Probleme sind real und komplex und in gewisser Weise ist es sogar gut, in höchster Alarmbereitschaft zu sein. Aber Unternehmen haben – wie in den (Wirtschafts-) Krisen 2001, 2008 oder 2020 – die Wahl, wie sie reagieren.
Bis jetzt hat noch jeder Abschwung neue Geschäftsmodelle und auch Unternehmen hervorgebracht, die vorher nicht existierten; vom E-Commerce über die Sharing Economy und die Experience Economy bis hin zur Welt der Abo-Modelle („subscription models“) und Kryptowährungen. Es gibt eine lange Liste von Unternehmen, die aus Konjunkturabschwüngen hervorgegangen sind, darunter Netflix, Uber, Airbnb, Spotify, Instagram, oder auch Bitcoin. Nicht alle davon haben in gleicher Weise Erfolg gehabt, aber sie alle haben über neue Geschäftsmodelle neue Kundengruppen erschlossen oder existierende Kundengruppen anders bedient. Andere Unternehmen wie beispielsweise Samsung, GM, Microsoft, Amazon, oder Google wurden auf eine Art und Weise neu ausgerichtet, die vor den Abschwüngen schwer vorstellbar gewesen wäre.
Anstatt also über Krisen und Kürzungen zu sprechen, entscheiden wir uns bewusst dafür, Worte wie Widerstandsfähigkeit, Resilienz, Langlebigkeit, Agilität und radikale Innovation zu verwenden, wenn wir unsere Kunden durch diese neuesten Herausforderungen führen. Wir wissen, dass Wachstum nicht inmitten panischer Kosteneinsparungen oder kurzsichtiger Entscheidungen stattfinden kann.
Niemand mag Konjunkturabschwünge. Aber wir sehen auch, wie unsere Kunden Sorge und Angst in Stärke und Widerstandsfähigkeit umwandeln. Unternehmen entwickeln sich weiter. Sie treffen intelligente Entscheidungen und kommen aus der Situation stärker als ihre Wettbewerber hervor. Jetzt ist der Moment, um einen großen Sprung nach vorne zu wagen und Möglichkeiten zur Beschleunigung zu entdecken; es ergibt sich eine Chance, das eigene Unternehmen von den Wettbewerbern abzuheben und völlig neue Geschäftsmodelle, Kundenerlebnisse und Angebote zu erschaffen.
Wir zeigen fünf Möglichkeiten auf, die auf dem Weg zur Resilienz helfen.
Zweckgerichtete Führung beschleunigen – der Unternehmenszweck („Purpose“) als Treiber
In den letzten zwei Jahren sind „Purpose“-orientierte Unternehmen zur Norm geworden. Die Covid-19-Pandemie veranlasste eine beispiellose Anzahl von Unternehmen dazu, sich auf die Suche nach ihrem Unternehmenszweck zu machen und sich an einem übergeordneten Ziel zu orientieren. Die letzten Jahre haben Führungskräften gezeigt, dass es funktionieren kann, das Wohlergehen der Welt, der eigenen Belegschaft sowie der Kundschaft zu fördern und gleichzeitig Geld zu verdienen. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um das daraus resultierende Wohlwollen und Kapital einfach so aufzugeben.
Zweckorientierte Unternehmen bringen Führungskräfte dazu, agiler, transparenter und sogar ein wenig menschlicher zu werden. Der starke Fokus auf Kommunikation und das Miteinander, das sich während der Covid-19-Pandemie aufgetan hat, ist weiterhin von Bestand. Der Unternehmergeist, der es Unternehmen ermöglichte, ihre Geschäftsabläufe neu zu erfinden, muss bestehen bleiben. Die agilen Strategien, die helfen, auf ein sich veränderndes Umfeld zu reagieren, müssen zum Standard werden. Und was noch viel wichtiger ist: Mit einem starken Unternehmenszweck können Unternehmen schwierige Entscheidungen mithilfe eines wertebasierten Filters treffen. Die folgenden Schritte können hierbei helfen:
- Investieren Sie in zweckgerichtete Wachstumsmaßnahmen. Erinnern Sie Ihre Teams daran, dass ein Konjunkturabschwung immer auch Möglichkeiten für diejenigen eröffnet, die einen genaueren Blick auf die entstehenden Lücken werfen und dort neue Möglichkeiten entdecken. Ermutigen Sie Ihre Teams, stets nach dem nächsten „Big Thing“ zu suchen. Was wird die Sharing Economy des Jahres 2023? Wie könnte das zu Ihrem Ziel passen? Wie wird es Sie weiterbringen? Und vor allem: Wie hilft es beim Erreichen des Unternehmenszwecks?
- Seien Sie transparent. Agilität ist wichtig, aber zu schnelles Handeln kann zu einem Schleudertrauma führen und Ihre Teams eher verwirren als inspirieren. Ein Richtungswechsel oder gar eine Neuausrichtung des Purpose darf nicht nur der Führungsriege klar sein – sie müssen für alle Teams, Kunden und andere Interessengruppen offensichtlich sein. Seien Sie in Ihrem Kommunikationsansatz klar und konsequent.
- Beschleunigen Sie Marken-, Nachfrage- und Innovationsbemühungen. Frei nach Ihrem Ermessen verfügbare Ausgaben werden im Allgemeinen zuerst gestrichen. Jedoch haben wir in den letzten drei Rezessionen gesehen, dass Unternehmen, die dies nicht getan haben, stärker aus der Situation hervorgegangen sind. Erweitern Sie auf der Innovationsseite den Akquise-Horizont. Start-ups und kleine Unternehmen sind derzeit möglicherweise offener für Übernahmegespräche und können Angebotslücken und Lücken im Kundenerlebnis zu niedrigeren Kosten füllen. Auf der Marken- und Nachfrageseite ist es leicht, sich zu der falschen Annahme verleiten zu lassen, dass Unternehmen sich zwischen Markenbildung- und Abverkauf entscheiden müssen. Sie brauchen aber beides. Und um für heute wie morgen die richtige Mischung zu finden, muss eine echte Partnerschaft zwischen den beiden Disziplinen Marketing und Vertrieb bestehen, auch wenn diese oft am stärksten im Gegensatz zueinander stehen.
Mitarbeitende als größten Wettbewerbsvorteil nutzen
Es gibt viele Gründe, aus denen die Mitarbeiterschaft derzeit sehr fragil ist. Zunehmende Kosteneinsparungen, der anhaltende Generationswechsel, und viele Neuerungen, die aus der Covid-19-Pandemie resultieren, sind noch immer aktuell. Viele Unternehmen werden die Bemühungen zur Mitarbeiterbindung während der Rezession wieder zurückzufahren. Unternehmen, die sich bisher noch nicht auf ihre Employee Value Proposition (EVP) konzentriert haben – also ein spezifisches Werteversprechen für die Mitarbeitenden – denken vielleicht, dass sie das Thema jetzt ignorieren können.
Das wäre ein großer Fehler. Der „War for Talent“ ist eine Realität, und es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass sich dies langfristig ändern wird, der Konjunkturabschwung ist gegebenenfalls nur eine (kurze) Pause.
Und dennoch: die aktuelle Wirtschaftslage verunsichert Angestellte in Bezug auf ihr Anstellungsverhältnis zunehmend – trotz all der Fähigkeiten zur Mitarbeiterbindung, die Unternehmen während der Covid-19-Pandemie aufgebaut haben. Die EVP, die in vielen Unternehmen gerade neu eingeführt wurden, werden ins Chaos gestürzt. Folgende Schritte können sinnvoll sein:
- Entscheiden Sie sich für Kürzungen bei Einzelinitiativen oder Plattformen anstatt für Personalabbau. So wie die Pandemie Probleme in den Lieferketten ausgelöst hat, unter denen manche Unternehmen immer noch leiden, so wird auch zukünftiger Personalmangel langfristig ein Problem sein.
- Fördern Sie funktionsübergreifende Teams. Eine Studie von Prophet zeigt, dass eine bessere funktionsübergreifende Zusammenarbeit die Mitarbeiterzufriedenheit erhöht und die Mitarbeiterbindung fördert. Die Menschen wollen zusammenarbeiten.
- Kümmern Sie sich aktiv um Problembereiche. Die Hybridarbeit steckt noch in den Kinderschuhen und es gibt noch viel zu tun, damit die hybride Zusammenarbeit erfolgreicher gestaltet werden kann. Zermürbt das Pendeln die Angestellten? Sind sie durch E-Mails nach Feierabend gestresst? Sind sie es leid, über Slack oder Zoom zu kommunizieren und gibt es andere technische Lösungen, die helfen könnten?
Budgetentscheidungen nach Aspekten des Kunden- und Mitarbeitererlebnisses treffen
Wie bereits erwähnt, ist es für Unternehmen selbstverständlich, Kürzungen über das gesamte Unternehmen hinweg in Betracht zu ziehen – in jeder Funktion und Geschäftseinheit. In schwierigen Zeiten fühlt sich das oft „fair“ an. Stattdessen sollten Entscheidungen aber unter der Berücksichtigung von Erlebnis-Aspekten getroffen werden: Was ermöglicht das beste Kunden- und Mitarbeitererlebnis?
Unternehmen sollten diese Gelegenheit nutzen und verstehen, was funktionsübergreifend erforderlich ist, um besondere Erlebnisse für ihre Kunden und die eigene Belegschaft zu schaffen.
In jedem Unternehmen gibt es innerhalb des Budgets stets Posten, für die immer Geld ausgegeben wird – häufig in prozessuale und programmatische Vorgänge. Dieses Geld kann durchaus in Bereiche umgeleitet werden, die Kunden- oder Mitarbeitererlebnisse verbessern. Folgende Schritte können dabei helfen:
- Schaffen Sie Agilität durch „Experience Pods“. Viele Unternehmen haben bereits kleinere Teams aufgestellt, um ihre Agilität zu steigern. Lassen Sie diese neuen Teams anders arbeiten: funktionsübergreifend und auf eine Art und Weise, die Kunden- oder Mitarbeitererlebnisse fördert. Schaffen Sie Aufgaben, durch die Verbindungen untereinander und gemeinsame Erlebnisse gefördert werden.
- Verbessern Sie die Zusammenarbeit. Brechen Sie Silos auf und optimieren Sie Ihre Ausgaben, indem Sie ein kooperatives Arbeitsmodell entwickeln. Unsere Studie zeigt, dass ein Großteil der Führungskräfte glaubt, dass Zusammenarbeit zu besseren Ergebnissen führt. Aber nur 50 % der Befragten glauben, dass ihre Teams effektiv zusammenarbeiten, selbst wenn sich alle Teammitglieder im selben Raum befinden. Welche neuen Möglichkeiten gibt es, um traditionelle Arbeitsmethoden wie Budgetierung, Ressourcenbeschaffung und Produktentwicklung neu zu gestalten?
Sich Investitionen in Technologie zunutze machen
Digitalisierung ist einer der wichtigsten Hebel der jüngeren Vergangenheit und ist in den Unternehmen nicht mehr wegzudenken; von der Fertigung über die Lieferung bis hin zur Remote-Arbeit. Unternehmen geben Millionen für neue Technologien aus. Das Problem ist, dass diese Technologien in den meisten Unternehmen voneinander isoliert existieren und nicht zusammengeführt werden.
Jetzt könnte es ein guter Zeitpunkt sein, neue Technologieinvestitionen auf Eis zu legen oder zumindest einen Gang herunterzuschalten und die digitalen Prioritäten neu zu bewerten. Die folgenden Schritte können hierbei hilfreich sein:
- Klären Sie die „Customer Journeys“. Nehmen Sie die Sichtweise jedes einzelnen Kundensegments ein, um sicherzustellen, dass die vorhandene Technologie einen Mehrwert bringt, für reibungslose Abläufe sorgt und die richtigen Daten für zukünftige Entscheidungen liefert. Dazu gehört die Zuordnung der Technologie zu jedem existierenden essenziellen Prozess.
- Überdenken Sie das Mitarbeitererlebnis. Die richtigen digitalen Tools steigern die Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeitenden und ermöglichen eine Art der Zusammenarbeit, die Wachstum fördert.
Wissen über Kunden, Wettbewerber und den Markt weiter ausbauen
Da niemand weiß, was die Zukunft bringt, ist es umso wichtiger in Echtzeit zu verstehen, wie Kunden denken, sich verhalten und einkaufen. Genauso wichtig ist es zu verstehen, was die Konkurrenz macht. Inmitten der vielen wirtschaftlichen Veränderungen werden die Regeln vieler Kategorien neu geschrieben, weil Menschen und Unternehmen ihre Ausgabenmuster ändern.
Wichtig sind jetzt eine Reihe von Prozessen und Mechanismen, mit denen Sie so viele Erkenntnisse wie möglich sammeln können. Und es erfordert gegebenenfalls eine neue Denkweise, nach der neue Erkenntnisse bereitwillig akzeptiert werden und man auch bereit ist, sich entsprechend schnell anzupassen. Niemand weiß genau, was in sechs Monaten passieren wird, aber wir brauchen die richtigen Fähigkeiten, um so viel wie möglich über unser sich veränderndes Umfeld zu erfahren und es besser zu verstehen. Die folgenden Schritte können von Vorteil sein:
- Bleiben Sie am Puls des Marktes. Investieren Sie in die entsprechenden Fähigkeiten und integrieren Sie die neu gewonnenen Erkenntnisse über Markt und Kunden in neue Produkte, Dienstleistungen, und Erlebnisse.
- Nutzen Sie Erkenntnisse, um neue Investitionen zu priorisieren. Scheuen Sie sich nicht, etwas Neues auszuprobieren, zu lernen und Ihre Investitionen nach Bedarf anzupassen.
- Entwickeln Sie Ihr Team weiter. Der schwierigste Teil der Integration von neuen Erkenntnissen kann darin bestehen, das Verhalten der Teammitglieder so zu verändern, dass sie auch nach den neuen Erkenntnissen handeln. Es ist eine Sache, eine neue Erkenntnis zu finden und zu verstehen – aber gegebenenfalls eine ganz andere, diese Erkenntnisse dann auch umzuwandeln in handfeste Änderungen und Anpassungen. Diese Art des kulturellen Wandels ist nicht einfach – vor allem, wenn die Menschen Angst haben. Auch wenn Sie Kosten senken, sollten Sie in den Wandel investieren, der in Ihrer Unternehmenskultur erforderlich ist, um die Agilität und Resilienz Ihres Unternehmens zu fördern.